Österreich braucht den Spitzensport doch

In einem früheren Beitrag bin ich dem Spitzensport von der provokant-nüchternen Seite an die Funktionswäsche gegangen. Meine These: Österreich braucht keine sportlichen Höchstleistungen, um sich als Nation wohlzufühlen. Es passt das Allermeiste. Wir müssen keine landesweiten Notstände durch Fanchoräle wegjubeln oder uns mit Medaillenglanz als strahlender Global Player verkleiden. Uns geht es gut genug, ja besser, als den allermeisten am Planeten (Hier die zitierte Story). Warum der Welt also ausgerechnet sportlich im großen Stil einen Haxen ausreißen?

Zwei Motive, Bewegung in ihrer High-End-Spielart aber trotzdem auch hierzulande ein Sportplatzerl an der Sonne zuzuweisen, möchte ich aus dem so rot-weiß-roten Themenblock „Za wos brauch‘ ma des“ herausmeißeln.

Eins davon ist, dass Österreich unter anderem deshalb so gut dasteht, weil uns die Welt in ihrem Urlaub mittlerweile ganzjährig und immer lieber die Tür einrennt. Etwa 16 Prozent des Bruttoinlandprodukts generiert die Tourismus- und Freizeitbranche, dabei werden deutlich über 20 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftet (Quelle: Statistik Austria, Bezugsjahr 2017). Und keinen kleinen Anteil davon schöpfen wiederum sportliche Großveranstaltungen ins Topferl. Stark frequentierte Publikumsveranstaltungen von globaler Wirksamkeit wie Motorsportevents, Skirennen, Turnierklassiker in Tennis und Beachvolleyball oder immer wieder im Land ausgetragene Großveranstaltungen locken zusammen hunderttausende Fans an. Dazu hält der internationale Sportexpress hierzulande auch an traditionsreichen Mitmachstationen wie gleich mehreren, beliebten Marathons, Triathlons oder Jedermann-Radrennen. Da wie dort misst sich der Amateursport mit dem professionellen – und gemeinsam lässt man die Kassen im heimischen Fremdenverkehr genauso klingeln wie im Handel.

Mindestens gleich wichtig erscheint mir der Spitzensport zweitens als plakative Werbefläche für etwas, das in Österreichs nicht und nicht einen allseits akzeptierten Status erreicht – Sport und Bewegung als möglicherweise die Querschnittsmaterie schlechthin. S & B als hochwirksames Tool in Sachen Volksgesundheit und speziell der Kindergesundheit, als Instrument der Gleichstellung, der Integration, der Inklusion und der Disversität. Und, ebenfalls längst nachgewiesen, als Treibmittel für die Hirnentwicklung- und erhaltung (mehr Infos dazu finden Sie hier). Ein deutliches Plus an Relevanz würde Österreich hier unter anderem dabei helfen, im Oberstübchen zeitgemäß möbliert, lernfähiger und damit fitter für die Zukunft zu werden.

Das alles kapiert man aber nicht und überlässt den Sport gesellschaftspolitisch weitgehend sich selbst. Nachhaltig kluge Kooperationen zwischen Ministerien sind trotz der vielen Benefits nicht Usus sondern nachgerade exotische Ausnahmen. Verhandlungen, beispielsweise um Initiativen wie die „Tägliche Bewegungseinheit“ an unseren Schulen, ziehen sich länger hin als die Amtszeiten von gleich drei, wahrscheinlich vier Sportministern. Und breite, österreichweit ergriffene Maßnahmen zur Elternbildung gibt’s praktisch gar nicht. Die Folge: Aus übergewichtigen, bewegungsunerfahrenen und sport- wie teamgeistlosen Kids werden übergewichtige, bewegungsungsunerfahrene und sport- wie teamgeistlose Erzeuger einer weiteren Generation von Couch Potatos.

Als immer rarere Ausnahmen federn die Kinder durchs Land, deren Eltern es verstanden haben, sie mit dem Funken der Begeisterung fürs Schweißtreibende anzuheizen und ihrem Nachwuchs bis zu einem gewissen Grad selbst mit gutem Beispiel voran gehen. Und wenn das dann nimmer reicht, dann hat eben der österreichische Spitzensport einige wirklich zugkräftige Vorbilder im Talon – für Youngsters, die im Sport ehrgeizige Ziele verfolgen, genau wie für jene, die sich von Virtuosität und Coolness der Idole zu nix mehr als genussvoll-spielerischer Bewegung inspirieren lassen wollen.

Dafür braucht Österreich, und grad Österreich, auch den Spitzensport. Die Frage ist nur, wie lange dieser das ihm meinerseits hier Abverlangte noch halbwegs leisten kann, wenn ihm durch die Ignoranz und die Trägheit einer Gesellschaft und ihrer Systeme immer öfter der Nachwuchs wegbleibt. Denn der alte Spruch „eine hohe Spitze braucht eine breite Basis“ stimmt natürlich.

Was auch heißt, dass die Politik mehr, ja eigentlich etwas ganz anderes tun muss, als sich im Abglanz der immer seltener ergatterten Medaillen zu sonnen. Sie sollte alles mobilisieren, um Sport & Bewegung zum Teil der Identität einer Nation werden zu lassen. Zum Standardprogramm wie die Untersuchungen und Impfungen im Mutter-Kind-Pass, zum gleich selbstverständlichen und freudvoll ansetzbaren Erziehungswerkzeug für Eltern und zum allseits anerkannten Hauptfach für die Pädagogik.

Und ist das alles dann geschafft, dann klappt’s mit dem Edelmetall ganz von selber. Hysterisch verordnete Sofortmaßnahmen per Finanzgießkanne werden obsolet und Österreich mittelfristig, zu all dem anderweitig Erreichten, auch noch eine topfitte Sportnation …

 

 

 

 

 

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