Das folgende Interview erschien zum Ligastart im Magazin NEWS
Mit einem makellosen Ligaauftakt mit zwei Siegen, einem 10:0 im ÖFB-Cup und besten Chancen auf einen Platz in der Champions League startet der FC Red Bull Salzburg wuchtig in die allererste volle Corona-Saison. Wir baten mit Kapitän Andreas Ulmer (34) und der deutschen Nachwuchshoffnung Karim Adeyemi (18) den routiniertesten und den jüngsten Kicker im Bullen-Kader zum Doppelinterview.
Text: Fritz Hutter
Wie hat sich der Start in die ungebrochen von Corona massiv beeinflussten Bundesligasaison 2020/21 angefühlt?
Andreas Ulmer: Weil wir ja schon im Frühjahr die letzten zehn Ligaspiele und das Cup-Finale unter diesen Voraussetzungen gespielt haben, hat der Bundesliga-Start gar nicht so viel Neues gebracht. Dinge wie regelmäßige Testungen oder die Abstandsregeln in der Kabine haben wir ja schon gekannt. Das einzig wirklich Neue war, dass beim ersten Spiel in Wolfsberg endlich wieder ein paar Zuschauer im Stadion waren. Aber am Platz selber können wir ganz normal unsere Arbeit machen.
Karim Adeyemi: Speziell vorm Sommer war es natürlich ungewohnt, aber wir haben uns wirklich schnell an die Maßnahmen gewöhnt, ich glaub das hat man auch an unseren Leistungen gesehen. Das Wichtigste ist jetzt natürlich, dass wir alle negativ bleiben – bei den Tests wohlgemerkt.
Was war das verrückteste Spiel Eurer jeweiligen Karriere vor den Corona-Geisterspielen?
AU: Da fällt mir sofort das Champions-League-Quali-Match gegen Shkendija vor zwei Jahren in Salzburg ein. Da ist während eines heftigen Gewitters das Flutlicht ausgefallen und das Spiel musste zwischenzeitlich unterbrochen werden. Damals haben wir gewonnen, aber eigentlich war es zum Schluss irregulär.
KA: Ich kann mich an ein Zweitligaspiel mit dem FC Liefering erinnern, wo es so nebelig war, dass ich auf der Stürmerposition die eigenen Innenverteidiger nicht mehr gesehen habe. Trotzdem wurde das Match durchgeboxt und wir haben gewonnen. Ein wirklich durchgeknalltes Spiel!
Wo liegen Eure fußballerischen Roots?
AU: Mein allererstes Feld war in der Wohnung meiner Eltern in Asten. Dort habe ich mich von der Balkontür zum Eingang und wieder zurück gedribbelt. Mit 6 bin ich dann zum Verein in Asten gegangen.
KA: Bei mir war es der Platz zwischen den Wäschestangen unserer Wohnanlage außerhalb von München. Dort habe ich mit meinem damals besten Freund eins gegen eins gespielt und wir haben geschaut, wer der bessere Torwart und wer der bessere Stürmer ist. Mit fünf habe ich dann beim TSV Forstenried meine Vereinskarriere begonnen.
Apropos Positionen. Wann hat sich eigentlich entschieden, welche Position am besten passt?
AU: Bis zur U16 habe ich überall gespielt, wo man mich gebraucht hat, außer im Tor. Ab damals dann meist in der Abwehr.
KA: Am Anfang habe ich immer nur vorne gespielt, weil ich häufig der Schnellste am Feld war. Im Bayern-Nachwuchs hat man dann ein bissl mit mir experimentiert und ich war dann einige Zeit Linksverteidiger. Bei einem Turnier bin ich sogar im Tor gestanden, aber da haben wir dann acht Stück bekommen und seither bin ich Stürmer.
Wer waren Eure Vorbilder?
AU: Meins immer Diego Maradona! Alles, was er am Platz gezeigt hat, war überragend. Aber ich glaub’, der Karim kennt’ den gar nicht mehr.
KA: Kennen schon, aber spielen habe ich ihn als 2002er-Jahrgang natürlich nicht mehr gesehen. Ich war als Kind immer Fan des FC Bayern und mein Lieblingsspieler dort war Arien Robben. Später konnte ich dann bei einem Bayern-Essen sogar einmal ein Foto mit ihm machen.
Wann und wie ist die Entscheidung zur Profikarriere gefallen ist?
AU: Es war kein konkreter Tag, sondern ein letztlich logischer Prozess. Nach der Sporthauptschule in Linz bin ich von der LASK-Jugend nach Wien in die Austria-Akademie gegangen. Natürlich träumst du da als junger Bursch’, in der höchsten Liga zu spielen. Dann durchläufst du den Nachwuchs, kommst in die zweite Mannschaft und letztlich tatsächlich in die erste und bist damit de facto Profi. Mein erstes Spiel war dann 2005 mit Austria Wien gegen die Admira.
KA: Wie Andi schon gesagt hat, war es kein Tag, sondern eine Entwicklung aus der Liebe zum Fußball heraus. Man realisiert Stück für Stück, dass man nicht so schlecht Fußball spielt und eifert seinen Idolen nach. Irgendwann habe ich, wohl genau wie der Andi, die Chance ergriffen, und jetzt sitzen wir beide hier.
Gab es jobtechnisch Alternativ-Ideen?
AU: Eine echte Leidenschaft habe ich neben Fußball ehrlich gesagt nicht gehabt, etwa fürs Handwerkliche oder ähnliches. Aber meine Eltern haben mich immer unterstützt und nie in eine andere Richtung gedrängt. So habe ich bis heute die Freiheit, meine Leidenschaft auszuleben und auch noch Geld damit zu verdienen.
KA: Bei mir stand auch immer der Fußball an erster Stelle. Wenn es aber damit doch nicht geklappt hätte, dann wäre ich vielleicht Polizist geworden. Aber heute bin ich natürlich froh darüber wie es ist. Im Stadion mit dem Rücken zum Spielfeld zu stehen, wäre wahrscheinlich doch nichts für mich gewesen (lacht).
Euer ganz persönlicher Magic Moment im Fußball?
AU: Natürlich war jeder Titel mit Red Bull Salzburg etwas ganz Besonderes. Auch unser Champions-League-Debüt im Vorjahr war großartig, aber wenn ich daran denke, wie wir im Frühjahr 2018 in der Europa League nach einem 2:4 bei Lazio Rom daheim noch 4:1 gewonnen haben und ins Halbfinale aufgestiegen sind, dann zieht es mir heute noch die Gänsehaut auf. Dieser Ruck, der damals nach dem 0:1 durch die Mannschaft gegangen ist, war ein unvergleichliches Gefühl!
KA: Mein Magic Moment war definitiv mein erstes Spiel für Red Bull Salzburg im vergangenen Februar in der Europa League! Das war gleich vor vollem Haus gegen Eintracht Frankfurt. Als ich von der Bank gekommen bin, war ich schon ein bisserl erstarrt vor den vielen Leuten und der Atmosphäre. Leider war das Spiel nicht so gut, aber die Stimmung war einfach der Wahnsinn!
Warum eigentlich der FC Red Bull Salzburg?
AU: Im Herbst 2008 bin ich von der Wiener Austria zur SV Ried gewechselt. Eine wirklich gute Adresse in Österreich, gerade für junge Spieler, die vielleicht bei größeren Klubs ausgebildet wurden, aber dort nicht wirklich Fuß fassen konnten. Bereits ein halbes Jahr später wollte mich dann Red Bull Salzburg. Ich hab mir damals gedacht, wenn mich der beste Verein im Land will, dann muss ich das probieren und bald war klar, dass ich nie wieder weg will. Im Nachhinein kein Fehler (lacht).
KA: Nach sechs Jahren bei Unterhaching habe ich intensiv mit dem Präsidenten Manfred Schwabl über den nächsten Schritt gesprochen. Dabei sind wir bald auf Salzburg gekommen. Letztlich war der Wechsel superschnell über die Bühne und ich habe es noch keine Sekunde bereut. Ich habe gesehen, was hier möglich ist, wie viele Spieler es nach noch weiter oben geschafft haben und wie viele es noch schaffen können. Wichtig war für mich als junger Spieler auch, dass ich hier die Möglichkeit hatte, beim Kooperationsklub FC Liefering in der zweiten Bundesliga einzusteigen – das Beste, was mir vom Jugendfußball kommend passieren konnte.
Wie stark schätzt Ihr die gesamte österreichische Bundesliga im internationalen Vergleich ein?
AU: Man hat in der vergangenen Saison gesehen, wie der LASK aus der Gruppenphase der Europa League aufgestiegen ist und wie viele Punkte auch der WAC gegen ganz große Teams sammeln konnte. Das hat gezeigt, was möglich ist, wenn man sich vielleicht ein bisserl mehr zutraut. Ich denke, dass einiges im Wachsen ist. Wir haben vorgezeigt, wie man Fußball leben kann und andere Vereine ziehen mittlerweile nach. Nehmen wir nur die vielfach optimierten Stadien, die dem Niveau ebenfalls guttun. Natürlich sind in Österreich nicht alle Spiele gut, aber das hast du in keiner Liga der Welt, auch in den europäischen Top-Ligen gibt’s welche, die du dir nicht anschauen kannst.
KA: Ich als Deutscher sehe es genau wie Andi. Mittlerweile ist es bei österreichischen Klubs sogar so, dass du in der Liga vielleicht gar nicht so dominierst, aber international selbst Topvereine mit deiner Präsenz kaputt machen kannst. Niemand sollte deshalb den Fußball hier unterschätzen.
Wo liegen die persönlichen Reserven?
AU: In erster Linie ist es wichtig, dass ich fit und gesund bin. Und dann im taktischen Bereich, wo ich mich ungebrochen verbessern kann. Auch bei Standards und im Passspiel habe ich ständig weiterzuarbeiten. Es gibt genug Sachen und mir wird sicher nicht fad.
KA: Am wichtigsten ist für mich meiner Meinung nach, noch stärker in die Mannschaft hinein zu wachsen. Dabei helfen mir viele Gespräche mit erfahrenen Spielern wie eben mit Andreas oder Zlatko Junuzovic, und natürlich jene mit Trainer Jesse Marsch. Aber es gibt noch sehr viele andere Dinge. Zum Beispiel ist der Abschluss noch nicht perfekt und auch der erste Kontakt verbesserungswürdig.
Andreas, was sind Karim Adeyemis Stärken?
AU: Er ist sehr dynamisch und wirklich, wirklich schnell. Und ich finde, dass er trotz seines jungen Alters vorm Tor schon richtig gut ist. Aber natürlich, für seine großen Ziele muss er wahrscheinlich noch besser werden.
Und was macht Andreas Ulmer zum Ausnahmespieler?
KA: Er ist ganz klar unser Leader und jeder auf dem Platz sieht zu ihm auf. Seine Stärke ist es, in die richtigen Räume zu passen. Und er ist unglaublich solide und spielt jedes Match so, wie es gespielt werden muss.
Wo seht ihr Euch in 5 Jahren?
AU: Wenn ich fit genug bin, hoffentlich noch am Feld als Spieler! Es ist und bleibt großartig, mit den Burschen draußen trainieren und zweimal die Woche ein Match machen zu können. Wenn man, so wie wir, oft gewinnt, macht das natürlich extrem viel Spaß. Das ist viel, viel besser, als in einem Büro sitzen zu müssen und dann am Abend g’schwind noch ins Fitnesscenter zu gehen, um was für seinen Körper zu tun.
KA: Natürlich träume ich vom nächsten Schritt, irgendwann noch eine andere Liga und neue Spieler kennenzulernen. Und selbstverständlich ist auch die Nationalmannschaft ein großes Ziel.
Und wo seht ihr den anderen in fünf Jahren?
AU: In einer europäischen Topliga bei einem richtig guten Verein! In Deutschland, England oder Spanien, und dort bei jedem Klub, der um die Meisterschaft spielt.
KA: Ich wünsche ihm natürlich, dass der gesund bleibt und tatsächlich noch lange spielen kann. Und ich glaube, dass er danach jedenfalls weiter im Fußball bleiben und vielleicht Trainer bei Red Bull Salzburg wird. Möglicherweise nicht sofort bei der ersten Mannschaft, sondern zunächst in der Jugendabteilung.
Andreas Ulmer
Geboren am 30. Oktober 1985
Position: Linksverteidiger
Bisherige Stationen: SK Asten , LASK, FK Austria Wien, FC REd Bull Salzburg;
Nationalmannschaft: 19 Einsätze im A-Team
Größte Erfolge: 11 x Österreichischer Meister, 7 x Cup-Sieger, 2018 Semifinale der UEFA Europa League
Karim Adeyemi
Geboren am 18. Jänner 2002
Position: Stürmer
Bisherige Stationen: TSV Forstenried, FC Bayern München, SpVgg Unterhaching, FC Red Bull Salzburg (seit 2019)
Nationalmannschaft: Einsätze in der deutschen U16- und U17-Auswahl
Größte Erfolge: Österreichischer Meister und Cup-Sieger 2020, 2019 die Verleihung der Fritz-Walter-Medaille in Gold für Deutschlands besten U17-Spieler