Stillstand der Dinge

Man hatte sich schon daran gewöhnt. Deutlich mehr als 50 Millionen Euro Gesamtwertschöpfung generierte die Wiener Wirtschaft in den letzten Jahren jeweils aus dem erstmals 1984 ausgetragenen Vienna City Marathon. Die Tempohatz über die klassische Marathon-Distanz und weitere Bewerbe im Rahmen des längst zum Highlight in den internationalen Laufkalendern gereiften Events lockte alljährlich im April gut 40.000 Teilnehmer*innen samt Begleitung in die Stadt. Allein die Wiener Beherbergungsbetriebe bejubelten in den Tagen rund ums große Krabbeln über Hauptallee, Wienzeile und Ringstraße meist mehr als 80.000 Nächtigungen – und der Handel stimmte vollmundig mit ein. Heuer bleibt es still an der Strecke, genau wie in den Souvenierläden, Restaurants oder Sport-Stores. Auch der für 19. April angesetzte Wien-Marathon wurde richtigerweise im Zuge der Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus abgesagt.

Nur ein drastisches Beispiel von vielen aus dem heimischen Sport, dessen Veranstaltungen nur auf den ersten Blick wie verzichtbare Streichresultate wirken. Fehlen werden nämlich nicht nur Einnahmen aus touristisch relevanten, aber nun gefährdeten beziehungsweise bereits abgesagten Marathons, Ironman-Triathlons, Radrennen oder Fußball-Länderspielen. Nein, neben finanziellen Verlusten, welche die Liga-Stopps, Wettkampfabsagen und/oder Vereinsschließungen auch „kleineren“ Sportarten wie Eishockey, Handball, Basketball, Volleyball aber auch Schwimmen oder Leichtathletik bringen, wird dazu die rot-weiß-rote Wohlstandsgesellschaft schwere Tiefschläge einstecken müssen. So bewegen sich fast 80 Prozent der österreichischen Kinder unter 14 deutlich zu wenig und sehen deshalb gravierenden Folgeerscheinungen wie Fettleibigkeit, Fehlstellungen des Bewegungsapparats, Herz-Kreislauferkrankungen oder aber auch Konzentrations- und Lernstörungen entgegen.

Um Kids die nachweislich positiven Effekte von Bewegung und Sport schmackhafter zu machen, braucht es neben aktiven Eltern und motivierten Lehrkörpern oft zusätzlich niederschwelliges Mit- und Gegeneinander eben im Verein und in der passenden Liga. Und es braucht greifbare Vorbilder, denen speziell Kinder und Jugendliche live oder vor dem Bildschirm die Daumen drücken und hinterher aktiv nacheifern können. Fehlen diese, sinkt häufig die emotionale Beteiligung und damit die Leidenschaft fürs eigene Tun. Wer im zurückliegenden, von Corona ebenfalls gekappten Ski-Weltcup-Winter versucht hat, sich mit seinen Kindern einen Riesenslalom ohne den ja abgetretenen Marcel Hirscher anzuschauen, weiß, was gemeint ist.

Die Folgen von Corona sind weitreichend. Genau übrigens wie die mangelnder Motivation zur Bewegung in der Generation Z sind weitreichend, die künftigen Reha-Kosten für unser Gesundheitssystem mittelfristig in Wahrheit nicht zu stemmen. Und ja, natürlich wird der heimische Handel ebenfalls leiden. Dann nämlich, wenn sündteure Sneakers ausschließlich nur mehr unterm Flatscreen verstunken, aber nicht mehr am Sportplatz zerrissen werden. Es ist also in jeder Hinsicht wichtig, dass die Dinge schon bald wieder ins Laufen kommen können …

Photo by sporlab on Unsplash

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